Klimawandel

Naturnahe Maßnahmen wirken effektiv gegen Hitzebelastung in Wien

Untersuchungen der GeoSphere Austria und des AIT Austrian Institute of Technology belegen, dass realistisch umsetzbare naturnahe Maßnahmen – wie zusätzliche Baumpflanzungen, neue Grünflächen und die Entsiegelung von Flächen – die Hitzebelastung in dicht bebauten Gebieten in Wien deutlich reduzieren können.

Im Fachmagazin „npj Urban Sustainability“ wurden kürzlich die Ergebnisse der Studie „Socially equitable climate risk management of urban heat (Sozial gerechtes Klimarisikomanagement urbaner Hitze, ->Link)“ veröffentlicht.

Im Rahmen des WWTF-geförderten Projekts SENSUS untersuchte das Forschungsteam mithilfe hochauflösender Stadtklimamodelle die Wirkung von Maßnahmen zur Abkühlung dicht bebauter Wiener Stadtteile unter verschiedenen Zukunftsszenarien. Diese Modelle berücksichtigen neben Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Wind auch Bebauung, Geländeform und Landnutzung, um die Auswirkungen geplanter städtebaulicher Maßnahmen bereits vor ihrer Umsetzung realistisch abschätzen zu können.

Das Forschungsteam setzte sich zusammen aus BOKU University (Leitung), GeoSphere Austria, TU Wien, AIT Austrian Institute of Technology (AIT), Joanneum Research Graz und Universität Warschau.

Naturnahe Stadtgestaltung kann Zahl der Hitzetage in Wien deutlich senken

Mithilfe eines Mikroklimamodells erstellte das AIT für ein dicht bebautes Stadtgebiet in Wien eine Simulation mit zwei Meter Auflösung, um die Bebauungsstruktur möglichst genau abzubilden. Zunächst wurde die Temperatur an einem Sommertag in der aktuellen Situation berechnet und anschließend mit in Wien oft umgesetzten Anpassungsmaßnahmen wie zusätzlichen Bäumen, entsiegelten Parkplätzen, Dach- und Fassadenbegrünung, hellen Pflastersteinen und Nebelduschen.

Das Ergebnis: Lokal sind unter den getroffenen Annahmen bis zu 2 °C weniger möglich – vergleichbar mit einem Höhenanstieg von rund 300 Meter. Besonders wirksam erwiesen sich naturbasierte Maßnahmen wie Baumpflanzungen und Entsiegelung. Anschließend wurden diese Maßnahmen von der GeoSphere Austria auf alle dicht bebauten Gebiete in Wien übertragen und die Kühlungswirkung mit dem Stadtklimamodell für die gesamtstädtische Ebene simuliert.

„Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass naturbasierte und realistisch umsetzbare Lösungen – wie mehr Bäume, zusätzliche Grünanlagen und Entsiegelung – die städtische Hitzebelastung in Wien spürbar senken können“, sagt die Stadtklima-Expertin Maja Zuvela-Aloise von der GeoSphere Austria, „zum Beispiel würde die aktuelle Zahl der Hitzetage um mehr als 10 Prozent sinken und die Auswirkungen der Klimaerwärmung in den nächsten Jahren würde deutlich gedämpft werden.“

Grafik

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Simulation des Klimamodells für ein Wiener Quartier. Linkes Bild: Aktuelle Situation. Mittleres Bild: Mögliche Klimaanpassung durch mehr Bäume, entsiegelte Parkplätze, Dach- und Fassadenbegrünung, helle Pflastersteine und Nebelduschen. Rechtes Bild: Simulierte Lufttemperatur um 2 Uhr Nachmittag zeigt bis zu 2 °C Reduktion aufgrund der Maßnahmen. © AIT Austrian Institute of Technology.

Einige Ergebnisse im Detail

In dicht bebauten Stadtteilen Wiens gab es in der jüngeren Vergangenheit in der Klimaperiode 1991 bis 2020 pro Jahr durchschnittlich 78 Sommertage (mindestens 25 °C) und 24 Hitzetage (mindestens 30 °C).

Das Stadtklimamodell zeigt in der Simulation: Wenn dicht bebaute Stadtteile umfassend mit realistisch möglichen Bäumen, Grünflächen, Dachbegrünungen, Entsiegelung und Aufhellung der Oberflächen versehen werden, können hier pro Jahr durchschnittlich 4 Sommertage weniger (-5 Prozent) und 3 Hitzetage weniger (-12 Prozent) erreicht werden. Das sind aber nur die Durchschnittswerte, in einzelnen Stadtteilen zeigten die Berechnungen eine Reduktion von bis zu 15 Sommertagen und 13 Hitzetagen.

Szenarios für die nächsten Jahrzehnte

Im Klimaszenario RCP8.5 (ungebremster Anstieg von Treibhausgasemissionen) sind in den untersuchten dicht bebauten Stadtteilen Wiens Ende dieses Jahrhunderts (Klimaperiode 2071-2100) durchschnittlich rund 100 Sommertage und 40 Hitzetage zu erwarten. Mit umfassender Begrünung wären es um durchschnittlich 3 Sommertage und 3 Hitzetage weniger, in einzelnen Stadtteilen sogar um etwa 14 Sommertage und 14 Hitzetage weniger.

Zusätzliche Bäume am wirkungsvollsten

Die wirkungsvollste Einzelmaßnahme stellte in der Untersuchung die Erhöhung der Baumflächen dar. Im Vergleich dazu zeigten zusätzliche begrünte Dächer einen deutlich geringeren Beitrag zur Abkühlung, da die potenzielle Fläche zur Dachbegrünung in der bestehenden Bebauungsstruktur gering ist.

Die Untersuchung berücksichtigte ausschließlich Maßnahmen, die auch tatsächlich in der dichten Bebauung von Wien realistisch umgesetzt werden können, wie neue Baumreihen entlang von Straßen, zusätzliche Parks und begrünte Dächer. Technische Lösungen wie Wassersprühnebel oder Sonnensegel wurden in kleinräumigen Simulationen untersucht und zeigten weniger Kühlwirkung als naturbasierte Maßnahmen.

Kartengrafik

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Die Zahl der Hitzetage ist im dicht bebauten Gebiet von Wien besonders groß (linkes Bild). Naturnahe Maßnahmen (zusätzliche Bäume, Grünflächen und Entsiegelung) können die Hitzebelastung im dicht bebauten Gebiet deutlich senken (rechtes Bild). Linkes Bild: Mittlere jährliche Anzahl der Hitzetage (mindestens 30 °C) in Wien in der Klimaperiode 1990–2020. Rechtes Bild: Berechnete Differenz in der Anzahl an Hitzetagen durch naturnahe Anpassungsmaßnahmen. © GeoSphere Austria.