Neue Erkenntnisse zum geomagnetischen Supersturm im Mai 2024
Sonnenstürme sind die Ursache für eines der spektakulärsten Naturphänomene, nämlich Polarlichter. Daneben können sie unsere technologische Infrastruktur allerdings auch erheblich beeinträchtigen. Sie stören Satelliten, unterbrechen GPS-Signale und können in Extremfällen sogar Stromnetze lahmlegen. Doch bislang ist es schwierig, ihre genauen Auswirkungen frühzeitig vorherzusagen. Unsere vor kurzem veröffentlichte Studie, geleitet von der Doktorandin Eva Weiler am Austrian Space Weather Office an der GeoSphere Austria, zeigt zum ersten Mal wie künftige Weltraummissionen die Vorwarnzeit vor extremen Sonnenstürmen verlängern könnten.
Ein Sonnensturm ist die Folge einer Sonneneruption, bei der Materie von der Sonne explosionsartig ins All hinausgeschleudert wird. Hierbei handelt es sich um hochbeschleunigte, geladene Teilchen, die ein Magnetfeld mitführen. Ob ein Sonnensturm nun zu oben genannten Störungen führt, hängt stark von der Ausrichtung dieses Magnetfelds ab. Nur bei gewissen Ausrichtungen nämlich kann der Sonnensturm in Wechselwirkung mit dem Erdmagnetfeld treten und Störungen verursachen. Das Erdmagnetfeld ist also ein natürlicher Schutzschild vor Sonnenstürmen, das uns allerdings nicht gleichermaßen vor jedem Sonnensturm schützt.
Mithilfe von Weltraumteleskopen können wir Sonnenstürme zwar früh erkennen und abschätzen, wann sie bei der Erde ankommen werden, doch die genaue Magnetfeldausrichtung bleibt unklar, bis der Sturm in Erdnähe kommt. Diese entscheidende Information liefern spezielle Weltraumsonden im sogenannten Lagrange-Punkt 1 (L1), welcher sich in einer 4-fachen Erde-Mond Distanz zwischen Erde und Sonne befindet. Diese Sonden messen das Magnetfeld von Sonnenstürmen und können neben der Magnetfeldstärke auch dessen Ausrichtung bestimmen. Das Problem für die Weltraumwettervorhersage ist jedoch, dass ein Sonnensturm nur etwa 10 bis 60 Minuten von L1 bis zur Erde benötigt, was wenig Zeit ist, um im Ernstfall umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Um früher reagieren zu können, müssten Sonden näher an der Sonne platziert werden. Leider ist es jedoch nicht möglich, Weltraumsonden in einer festen Position vor L1 zu halten – eine solche Position ist instabil und liegt außerhalb der Kepler’schen Realität. Eine vielversprechende Lösung ist das Konzept von "Distant Retrograde Orbits" (DRO). Dabei würden mehrere Satelliten auf eine erdähnliche Umlaufbahn geschickt, die sich in ihrer Exzentrizität leicht von jener des Erdorbits unterscheiden. Beim Umlauf um die Sonne würden sich diese Sonden dann abwechselnd vor bzw. hinter der Erde befinden. Durch den Einsatz mehrerer Satelliten könnte man gewährleisten, dass sich immer mindestens eine Sonde zwischen Sonne und Erde befindet - und entscheidende Messdaten früher liefert als Sonden bei L1.
Im Mai 2024 erlebte die Erde den stärksten Sonnensturm seit 2003. Aufgrund seiner Intensität wurde er als geomagnetischer Supersturm eingestuft. Er sorgte nicht nur für spektakuläre Polarlichter bis nach Mitteleuropa, sondern auch für erhebliche technische Probleme: Navigationssatelliten wurden gestört, einige Satelliten sanken in niedrigere Umlaufbahnen oder übermittelten kurzzeitig keine Daten, und sogar Flugrouten mussten geändert werden.
Dieses Ereignis war jedoch nicht nur wegen seiner Intensität bemerkenswert, sondern auch wegen seiner einzigartigen Datengrundlage: Neben den üblichen Messungen von Sonden bei L1 wurde der Sturm auch von der NASA-Sonde STEREO-A erfasst. Damit ist er der erste Supersturm, der sowohl von Sonden bei L1 als auch von einer weiteren Weltraumsonde gemessen wurde.
Zum Zeitpunkt des Ereignisses befand sich STEREO-A in einer besonders interessanten Position: zwischen Erde und Sonne, und dabei etwa viermal näher an der Sonne als L1 – also genau in dem Bereich, der auch für zukünftige DRO-Missionen relevant wird. Dank dieser günstigen Lage von STEREO-A konnte der Supersturm zweieinhalb Stunden früher erfasst werden als von den Sonden bei L1.
Dieses Ereignis bot also die einmalige Gelegenheit, das Vorhersagepotenzial künftiger DRO-Missionen zu testen. Eine zentrale Frage bei diesen Missionen ist die optimale Distanz zur Erde: Einerseits soll eine möglichst lange Vorwarnzeit erreicht werden, andererseits muss die Genauigkeit der Vorhersage erhalten bleiben. Obwohl STEREO-A in diesem Fall deutlich weiter von der Erde entfernt war als L1, konnten wir gemeinsam mit Wissenschaftler*innen unseres Conrad Observatoriums, der Universität Graz, sowie der NASA und der University of New Hampshire (USA) zeigen, dass die Stärke des Mai-2024-Sturms auch aus dieser Distanz zuverlässig bestimmt werden konnte – ein bedeutendes Ergebnis für die Entwicklung zukünftiger Weltraumwettermissionen.
Normalerweise nehmen Sonnenstürme auf dem Weg zur Erde stark an Intensität ab, da sie sich ausdehnen und ihr Magnetfeld dadurch schwächer wird. Doch im Mai 2024 gab es innerhalb von nur 28 Stunden fünf aufeinanderfolgende Sonneneruptionen in Richtung Erde. Diese interagierten miteinander und hinderten sich gegenseitig an ihrer Ausdehnung. Aufgrund der geringen Expansion der Sonnenstürme blieben deswegen auch bei der Erde noch hohe Magnetfeldstärken erhalten.
Bereits frühere Studien legten nahe, dass sich miteinander wechselwirkende Sonnenstürme gegenseitig verstärken und so zu Extremereignissen führen können. Unsere Analyse der Eruptionen im Mai 2024 bekräftigt diese Hypothese und liefert wertvolle Einblicke in die Entstehung von Extremereignissen.
Die bisherigen Erkenntnisse aus dem Mai-2024-Ereignis unterstreichen, dass die Intensität von Sonnenstürmen auch von Sonden in größeren Distanzen zur Erde als L1 abgeschätzt werden kann. Insbesondere könnten Satelliten in einem Distant Retrograde Orbit die Vorwarnzeit deutlich erhöhen – und damit wertvolle Zeit schaffen, um kritische Infrastrukturen besser zu schützen. Dies wäre ein entscheidender Fortschritt in der Weltraumwettervorhersage und könnte dazu beitragen, die Risiken extremer Sonnenstürme in Zukunft besser zu kontrollieren.
Die bisherigen Erkenntnisse aus dem Mai-2024-Ereignis unterstreichen, dass die Intensität von Sonnenstürmen auch von Sonden in größeren Distanzen zur Erde als L1 abgeschätzt werden kann. Insbesondere könnten Satelliten in einem Distant Retrograde Orbit die Vorwarnzeit deutlich erhöhen – und damit wertvolle Zeit schaffen, um kritische Infrastrukturen besser zu schützen. Dies wäre ein entscheidender Fortschritt in der Weltraumwettervorhersage und könnte dazu beitragen, die Risiken extremer Sonnenstürme in Zukunft besser zu kontrollieren.